Franziskanerplatz

Der   befindet sich im historischen Kern der Stadt und grenzt an das Marienhospital, die Klosterkirche und die Justizvollzugsanstalt für Frauen. Namensgebend war das ehemalige Franziskanerkloster, das an dieser Stelle stand. Das Kloster bestand von 1642 bis 1811. Unter der französischen Besatzung 1810 bis1813 wurde es 1811 aufgelöst. Ab 1816 wurde das Kloster in eine Strafanstalt umgewandelt. Die Klosterkirche dient heute als ökumenische Kirche, wird aber hauptsächlich von der evangelischen Kirchengemeinde genutzt. Den Franziskanern verdankt das Schulsystem von Vechta die Gründung einer Lateinschule, aus der später das heutige Gymnasium Antonianum hervorging.

Die Zugehörigkeit der ehemaligen Franziskanerkirche zum niedersächsischen Strafvollzug hat glücklicherweise bisher verhindert, dass die Kirche ihren ursprünglichen schlichten Charakter verloren hat, obwohl das Minoritenkloster schon einen Teil seiner Baulichkeiten bis heute eingebüßt hat. Trotzdem ist der Geist des Bettelordens noch in den aktuellen Baulichkeiten nachvollziehbar. Im Gegensatz zu anderen ehemaligen Ordensstandorten, an denen die Ursprungsgebäude vollständig verschwunden sind, bietet sich damit in Vechta ein für Norddeutschland einmaliges kulturgeschichtliches Ensemble mit nicht nur einer überragenden regionalgeschichtlichen, sondern auch einer hohen landesgeschichtlichen Bedeutung.

Hauptsächlich der Armut und der Seelsorge verbunden, kam der Franziskanerorden inmitten der geistlichen Krisenzeit des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1642 auf Berufung des münsterischen Fürstbischofs Ferdinand I. von Bayern (reg. 1683–1688) nach Vechta. Mit dem Orden gelang die Durchsetzung der Gegenreformation im heutigen Oldenburger Münsterland. Vorausgegangen waren die vergeblichen Versuche der ab 1613 angesiedelten Jesuiten, die ansässige Bevölkerung zu rekatholisieren, sowie die Wiederbelebung der franziskanischen Provinz Saxonia Crucis seit 1625.

Vechta war seit 1530 protestantisch und sträubte sich mit einem Großteil der Bevölkerung sowie des Adels vehement gegen den alten Glauben, soweit es in dieser Zeit überhaupt noch eine geistliche Orientierung gab. Die Stadtkirche St. Georg stand in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts noch unter protestantischem Einfluss oder war durch die Kriegswirren verwüstet. Für katholische Gottesdienste und der damit verbundenen Wiederbelebung des alten Glaubens wurde eine neue Pfarrkirche, die Klosterkirche, gebraucht.

Der Gegenreformation mangelte es zu Beginn vor allem an qualifizierten Geistlichen, die das Vakuum der vertriebenen protestantischen Pfarrer ausfüllen konnten. Die damalige Kopplung von Schulbildung und Kirche führte zudem zu einem Lehrermangel, den die selbstbewussten Städter nicht hinnehmen wollten. Erst mit dem Einzug der ersten sechs Franziskaner aus dem Mutterkonvent Rheine konnte in Vechta beides behoben werden. Was vorher nicht durch Verbote und durch Ausweisung von Bewohnern gelungen war, erreichten die Franziskaner durch ihre den Menschen zugewandte Art und die Gründung des ersten Gymnasiums in Vechta 1652. Wie in anderen Orten gewährte der Rat der Stadt Vechta die Erlaubnis zur Errichtung eines neuen Konvents nur im Hinblick auf die zu erwartende pädagogische Tätigkeit der Brüder.

Die daraufhin einsetzenden finanziellen Zuwendungen der Vechtaer erlaubten es den Franziskanern, in den folgenden 100 Jahren ihr Kloster mit Kirche dreimal um- und auszubauen. Selbst das Mutterkloster in Rheine erfuhr nicht solchen Auftrieb.

Über 150 Jahre sollten die Brüder das geistliche Leben im Niederstift Münster bestimmen. Die Spuren, die sie hinterließen, wirken bis heute vor allem in den damals von ihnen begründeten Prozessionen zu Christi Himmelfahrt und Fronleichnam, die den Franziskanern von dem damaligen Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen übertragen wurde. Besonders aber die bis 1771 mit Gesängen und geistlichen Spielen gestaltete Karfreitagsprozession entsprach den religiösen Gefühlen der Bevölkerung. Die so erfolgreiche Gegenreformation war und ist die Grundlage der heutigen konfessionellen Prägung des Oldenburger Münsterlandes, das mit seinem Familien- und Wirtschaftssinn zu den demographisch und wirtschaftlich gesündesten Regionen in ganz Deutschland gehört.
Die Franziskaner beeinflussten in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges durch einen der damals bedeutendsten Franziskaner, Friedrich von Spee, wesentlich das kirchliche und weltliche Rechtsbewusstsein. Sein Wirken ist auch in Vechta über den so genannten „Franziskaner-Kreuzweg“ spürbar. (Die Franziskaner besaßen das Privileg zur Errichtung von Kreuzwegen mit Ablass-Gewährung.) Die sieben Stationen und außerdem ein Kalvarienkreuz nördlich vor der Stadt führten zu einem alten Hinrichtungsplatz, der dort schon vor 1600 bestand. Hierhin wurden nicht nur die Verurteilten geführt, deren Seelsorge die Franziskaner innehatten. Das ganze Jahr und besonders zu Karfreitag pilgerten die Gläubigen zum Kreuz, das auf einer wirklichen „Schädelstätte“ stand, die auch „Kalvaria“ genannt wurde.

Die Franziskaner legten nicht nur mit der Gründung des Gymnasiums den Grundstein für die höhere Bildung in Vechta. Kaum bekannt ist, dass auch die heutige wissenschaftliche Ausbildung an der Universität ihren Anfang in dem um 1675 in Vechta gegründeten „Theologischen Studienhaus“ (wissenschaftliche Ausbildungsstätte der Franziskaner) des Hauptkonventes in Münster nahm. Landesgeschichtliche Bedeutung erhielt diese Einrichtung im 18. Jahrhundert, da den im Konvent Vechta ausgebildeten Theologen die katholische Seelsorge der Pfarrkirchen in Ostfriesland übertragen wurde.

Eine Besonderheit des Franziskanerklosters ist bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben und über eine gebuchte Führung zu besichtigen: der in Norddeutschland einmalige Franziskaner-Totenkeller.

Die Mönche der Franziskaner-Klöster wurden normalerweise in der Klosterkirche oder -kapelle und im Kreuzgang beerdigt (wie in Rheine, Aschendorf, Werl usw.) In Warendorf wurden sie z. T. in einem Souterrain-Keller bestattet, der aber nicht mehr besteht. In Vechta wurden – bis zur Auflösung des Konvents durch ein napoleonisches Edikt von 1812 – nachweisbar 155 Franziskaner beerdigt, aber aus einem bisher unbekannten Grund in einem separaten Totenkeller. Zu sehen sind heute 64 Grabkammern, die anonymisiert mit Buchstaben beschriftet sind.
Die Klosterkirche erfuhr mehrere Umbauten und wurde zuletzt in den Jahren 2004 bis 2013 umfassend restauriert.

Statuen in der Westfassade der Klosterkirche
1642 ließen sich die ersten Franziskanerbrüder in Vechta nieder und bauten eine quadratische Klosteranlage mit Kirche. Die katholische Konfession sollte sich wieder durchsetzen. Die Gründung erfolgte von Rheine aus. Von dort wurde der Patron St. Josef als Patron auch für die neue Niederlassung mitgebracht. Der Bau der heutigen Kirche erfolgte in den Jahren 1727 bis 1731.

In den drei Rundbogenfigurennischen stehen die Statuen des hl. Josef, des hl. Franziskus und des hl. Antonius, unterlebensgroß. Oben ist Josef als Konventspatron der Franziskaner zu sehen. Der Zimmermann Josef aus dem Geschlecht Davids wird als der Vater Jesu verehrt. Die liturgische und volkstümliche Verehrung wurde besonders durch die Franziskaner gefördert. In Vechta gab es unweit des Bremer Tores das Kinderheim St. Josef, das 1897 von den Karmeliterinnen als Waisenhaus gegründet wurde. Eine Steinplastik, die den hl. Josef mit dem Jesusknaben darstellt, stand an der Eingangsseite. Sie wurde von der Bildhauerin Irmgard Vietze 1955 geschaffen. Das Kunstwerk befindet sich heute im Alten Rathaus.

Der hl. Franziskus ist links zu sehen. Franz von Assisi (1181–1226) ist der Gründer des Franziskanerordens und gilt u. a. als Patron der Armen.
In der rechten Nische ist der hl. Antonius (um 1195 bis 1231) dargestellt. Er wurde in Portugal geboren, trat 1220 in den Franziskanerorden ein und erregte als Prediger Aufsehen. U. a. gilt er als Patron zum Auffinden verlorener Sachen.

Die Franziskaner begannen bald nach der Niederlassung (schon 1652) einen Schulbetrieb. Die Schüler kamen zum Unterricht zunächst ins Kloster, in die Lateinschule, die bereits 1714 zum Vollgymnasium ausgebaut wurde. Die Schule führte und führt den Namen Gymnasium Antonianum.
1895 wurde an der Ostseite des Klingenhagen das Antonius-Konvikt für die auswärtigen Schüler des Gymnasiums gebaut. Heute ist das Antoniushaus ein Haus für die Erwachsenenbildung.

Die drei Figuren an der Fassade der Klosterkirche sind (vermutlich) ein Werk des Bildhauers Johann Mauritz Gröninger aus Münster (um 1650 bis 1707).
Die drei Heiligenfiguren stammen vermutlich aus der Coesfelder Werkstatt des Bildhauers Johann Adolf Sasse.

Galenʼsches Wappen an der Westfassade der Klosterkirche
Im Giebeldreieck, über der Figur des hl. Josef, ist das Galenʼsche Wappen angebracht: das von zwei Löwen gehaltene, seit 1665 geführte Familienwappen des Fürstbischofs Christoph Bernhard von Galen mit Schlüssel und drei Wolfsangeln.

Kreuzweg der Franziskaner
Der Kreuzweg führt ab der Bremer Straße (Meyers Mühle) zu dem am nördlichen Stadtrand gelegenen Stoppelmarkt. Die Straßenbezeichnung weist auf den wohl schon um 1700 von den Franziskanern gegründeten Kreuzweg hin. Der Kreuzweg beginnt vor dem Haus Bremer Straße 24 (gegenüber von Meyers Mühle). Mit sieben Stationen, die Szenen vom Leiden Jesu Christi darstellen, zieht sich der Weg auf fast 1000 Meter Länge hin. Über viele Jahrzehnte (bis 1876) fand hier eine Karfreitagsprozession statt. Die 3. Station, Ausgangspunkt der seit 1978 wieder alljährlich stattfindenden Prozessionen, befindet sich bei einer typischen hiesigen Feldkapelle in Ziegelbauweise. Sie wurde 1873 im neugotischen Stil neu errichtet, nachdem die Vorgängerin durch Blitzschlag zerstört worden war. Nach der 7. Station folgt als Abschluss eine Kreuzanlage, bekannt als „Hohes Kreuz“. Heute verläuft die Wegstrecke parallel zum Visbeker Damm im Bereich der Ludgerusschule als Fußweg bis zur Westerheide am Rande des Stoppelmarktes. Dieser Weg war bis ins 19. Jh. auch der Weg/Bußweg zur Hinrichtungsstelle auf dem Stoppelmarkt.

Die alten, holzgeschnitzten Reliefpassionsbildtafeln mit zierlichen Recaillerahmen, die um 1700 nach Kupferstichvorlagen in Westfalen aus Eichenholztafeln herausgearbeitet wurden, mussten in den vergangenen Jahren wiederholt erneuert werden. Die Originale befinden sich im Museum im Zeughaus. Anfang der fünfziger Jahre schuf der Dinklager Kunsttischler und Bildhauer Johann Kalvelage eine Nachbildung der alten Kreuzwegstationen.

Literatur:
Heinrich Höpken: Zur Geschichte der evangelischen Kirche in Vechta. In: Wilhelm Hanisch, Franz Hellbernd (Red.): Beiträge zur Geschichte der Stadt Vechta. Band II. Vechta: Vechtaer Druckerei und Verlag, 1974. S. 467–491, mit Bildtafeln.
Tim Unger: Das Niederstift Münster im Zeitalter der Reformation. Der Reformationsversuch von 1543 und seine Folgen bis 1620. Vechta: Plaggenborg, 1997.
Tim Unger: Die Reformation im Oldenburger Münsterland. In: Michael Hirschfeld (Hg.): Luthers Lehre im Oldenburger Münsterland. Cloppenburg: Heimatbund für das Oldenburger Münsterland, 2020. S. 11–23.
Ralph Hennings: „Es ist ganz falsch, das Zerstörende und Verneinende in Luthers Tätigkeiten für das Wesentliche zu halten“. Predigten zu den Reformationsjubiläen 1817 und 1917 in Vechta. In: Ebd. S. 69–92.
August Vornhusen: Die Franziskaner in Vechta. In: Wilhelm Hanisch, Franz Hellbernd (Red.): Beiträge zur Geschichte der Stadt Vechta, Band III/1. Vechta: Vechtaer Druckerei und Verlag, 1978. S. 5–44, mit Bildtafeln.
Ejnar Tonndorf: Die Klosterkirche in Vechta. Baugeschichte und Restaurierungsmaßnahmen. In: Stefan Decker, Wilfried Kürschner, Andreas Technow (Red.): Die neue Orgel in der Klosterkirche Vechta. Vechta: Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Vechta, 2014, S. 42–47.
Hans Schlömer: Der alte Franziskaner-Kreuzweg zu Vechta. Vechta: Vechtaer Druckerei und Verlag, 1971.