Gruppenbild mit den Beteiligten des Telav-Projektes. In ihrem Beisein übergab Dr. Christian Vaske von den Pflegepionieren (8. von rechts) Lohnes Bürgermeisterin Dr. Henrike Voet (10. von links) und ihrem Vechtaer Amtskollegen Kristian Kater (6. von rechts) den Abschlussbericht. Fotos: Kira Meyer / Stadt Vechta
Gesundheit und Pflege

Aus Telav-Abschluss wird ein Neuanfang

Nach Auslauf der Förderung führt der Landkreis Vechta die Digitalisierung der Pflege fort.

. Das Projekt "Televersorgung im Landkreis Vechta" – oder kurz: Telav – ist in wenigen Wochen Geschichte. Und doch war die Abschlussveranstaltung der Projektpartner nun im Vechtaer “Start:Punkt” vor allem eins: ein Auftakt. Denn – da waren sich alle Beteiligten einig – die Digitalisierung der Pflegebranche muss weiter vorangetrieben werden. Der Landkreis Vechta, originär zuständig für das Thema Gesundheit, hat zugesagt, verstärkt in den Austausch mit den beteiligten Akteuren zu gehen.

So sollen viele Initiativen fortgeführt werden - oder wie Lohnes Bürgermeisterin Dr. Henrike Voet passend befand: “Der Ort hätte nicht besser gewählt sein können. Wir stehen bei diesem Thema auch weiterhin am Startpunkt!”

Aber der Reihe nach: 2020 waren die Städte Vechta und Lohne damals noch von Horst Seehofers Heimatministerium als Pilotkommunen ausgewählt worden, um konzeptionell zu untersuchen, wie mit digitaler Unterstützung die Versorgung einer alternden Gesellschaft im ländlichen Raum dauerhaft gesichert werden kann. Denn mit Zunahme der pflegebedürftigen Menschen bei gleichzeitig immer weniger Fachkräften – seien es nun Ärzte, Pfleger, Physiotherapeuten oder andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche – wird die Aufrechterhaltung der heutigen Standards schwierig. “Auch wenn wir zu den jüngsten Regionen Deutschlands gehören, macht der demografische Wandel vor uns nicht Halt”, mahnte denn auch Vechtas Bürgermeister Kristian Kater.

288.000 Euro hatte der Bund bereitgestellt, um auf die Zukunftsfrage der medizinischen Versorgung digitale Antworten zu finden. Gemeinsam mit den Pflegepionieren, einer Unternehmensberatung für die Gesundheitsbranche, und verschiedenen Projektpartnern erarbeiteten die Kommunen in den vergangenen drei Jahren konkrete computergestützte Lösungen, die die Versorgung der Pflegebdürftigen verbessern, Pflegekräfte entlasten und Angehörigen mehr Komfort bieten sollten. Mit Erfolg, wie die Teilnehmer der Abschlussveranstaltung befanden.

Beispiel St. Marienhospital Vechta: Die Säuglingsstation hatte eine mehrsprachige Online-Beratung für junge Eltern eingeführt, die nach der Geburt ihrer Kinder ohne Hebamme das Krankenhaus verlassen. “Noch betrifft das vor allem Mütter, die Sprachbarrieren haben, die nicht gut vernetzt sind, das Anrecht auf eine Hebamme gar nicht kennen oder aus anderen Landkreisen zu uns kommen”, erzählte Pflegedienstleiter Christian Heitmann. Doch ergänzte Sandra Guhe, Leiterin des Gesundheitsamtes beim Landkreis Vechta: “Auch wenn wir in einer guten Ausgangssituation bei der Versorgung mit Hebammen sind, ist sie längst nicht mehr so gut wie früher.” Deshalb habe man beim Landkreis die Hebammenzentrale aufgebaut, die unter anderem Hebammen vermittele. Beide Angebote sollen künftig möglichst miteinander verzahnt werden.

Beispiel Zerhusen & Blömer: Beim Kroger Pflegedienst und Pflegeheim gibt es nun eine Online-Pflegeberatung und eine digitale Vernetzung zwischen Ärzten und Pflegeheim. So bekommen beide Seiten Zugriff auf die Dokumentation von Medikamentenplänen, medizinische Verordnungen und ähnliches. “Für uns waren die Arztvisiten auf den Stationen bisher echte Zeitfresser”, sagt Pflegedienstleiter Sebastian Franke. “Oft finden die vor Praxisöffnung statt – eine Zeit, in der wir voll mit der Grundpflege und dem Frühstück unserer Bewohner beschäftigt sind. Dann mussten wir eine Pflegekraft abstellen, die den Arzt begeleitet, mitprotokolliert und nachher die Verordnungen in unsere Patientenakte einpflegt.” Inzwischen gebe es Ärzte, aber auch Ergo- oder Physiotherapeuten, die Zugriff auf die Daten hätten und ihre Medikationen und Anwendungen direkt einpflegten. Die Pflegekraft kann sich nun statt auf die Dokumentation und Begleitung der Visite voll auf ihre eigentliche Profession konzentrieren: den Dienst am Patienten.

Die Teilnehmer der Abschlussveranstaltung – sie alle konnten zahlreiche Geschichten erzählen, wo Digitalisierung ihnen Botengänge erspart, ihren Alltag planbarer macht, doppelte Dokumentation und Missverständnisse vermeidet. “Jeder Schritt, den wir hier machen können, ist ein wichtiger Schritt”, lautete denn auch der Appell von Pflegeheimleiter Ulrich Zerhusen. Denn Deutschland habe nicht zu wenig Pflegekräfte, sondern zu wenige, die in ihrem Beruf tatsächlich arbeiten wollten. Nicht einmal 10 Jahre verbrächten die ausgebildeten Fachkräfte heute in ihrem erlernten Arbeitsfeld. “Das Projekt Telav und die Digitalisierung unserer Branchen leisten einen Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedinungen. Das ist sicher nur ein Puzzleteil, damit wir auch künftig eine menschenwürdige Pflege leisten können, aber ein wichtiger Schritt.”

Die Ergebnisse der Projekte haben die Pflegepioniere in einem Konzept zusammengefasst. Es soll nun so aufbereitet werden, dass es künftig auf ihrer Homepage, aber auch auf denen der Städte, allen Interessierten zur Verfügung steht. Schließlich sollen von dem hiesigen Pilotprojekt möglichst viele profitieren: Nicht nur der Landkreis als fortführendes Organ, sondern auch Akteure der Gesundheitsbranche anderer Einrichtungen im Landkreis Vechta und genauso andere Kommunen aus ganz Deutschland.