Hilfe für Mitarbeitende der Pflegebranche

von TELAV

Bürgermeister Kristian Kater begrüßt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Telav-Projekts im Vechtaer Rathaus.

„Eigentlich müssten wir allen alten Menschen zur Gesunderhaltung die gesamten Zähne ziehen, wenn sie ins Pflegeheim kommen“: Was Melanie Philip als Zitat eines Zahnarztes beim 2. Telav-Gestaltungsworkshop im Vechtaer Rathaus in den Raum wirft, ist ein echtes Schreckensszenario. Die versammelten Pflegeexperten wundert es indes nicht. „Noch kommen die Ärzte raus in die Pflegeheime, aber in zehn Jahren wird das nicht mehr der Fall sein“, warnt die Geschäftsführerin der Pflegepioniere. Zu wenig Personal, zu viele Patientinnen und Patienten.

Die Vertreter der Krankenhäuser in Vechta und in Lohne, vom Kroger Pflegedienst Blömer & Zerhusen, des Vechtaer Hedwigsstifts und der Kassenärztlichen Vereinigung wissen, wovon die Rede ist. Fachkräftemangel in einer alternden Gesellschaft ist ihr täglich Brot - und damit die Frage, wie eine gute medizinische und pflegerische Versorgung in den kommenden Jahren aufrechterhalten werden kann.

Die Antwort an diesem Tag im Vechtaer Rathaus soll Telav liefern – das mit Bundesmitteln geförderte Televersorgungsprojekt der Städte Vechta und Lohne in Zusammenarbeit mit den Pflegepionieren. Digitalisierung soll den Fachkräften der Gesundheitsbranche das Leben erleichtern. „Wir müssen lernen, viel selbstverständlicher mit der Televersorgung umzugehen“, appelliert Philip.

Drei, die sich bereits auf diesen Weg machen, berichten an diesem Tag, wie sie ihre Mitarbeitenden mit digitalen Techniken entlasten wollen. Während sich Beate Langhorst im Lohner St. Franziskus-Hospital um eine digitale Beratung für Menschen mit Demenz und vor allem deren Angehörige kümmert, hat die Säuglingsstation des Vechtaer St. Marienhospitals frischgebackene Eltern im Blick. Viele Frauen würden bereits relativ kurz nach der Geburt wieder entlassen – doch Fragen stellten sich auch danach; insbesondere für Menschen, bei denen keine Hebamme die Familie betreut: „Was, wenn es mit dem Stillen nicht klappt oder der Nabel des Babys sich entzündet?“

Das Vechtaer Krankenhaus hat deshalb seit vergangener Woche einen besonderen Service für frischgebackene Eltern: Bei Unsicherheiten nach der Geburt hilft nun ein umfassender Online-Frage-Antwort-Katalog. Zudem gibt es eine kostenlose Internet-Sprechstunde. Einen Arzttermin, verdeutlicht Pflegedienst-Leiter Heitmann, ersetze das aber nicht. „Wir machen keine medizinische Begutachtung, sondern beraten lediglich.“

In den kommenden Wochen soll die Weblösung um einen so genannten Chatbot ergänzt werden, der die Suche nach den passenden Informationen noch leichter machen soll. Außerdem soll das Angebot mehrsprachig werden, um auch Eltern, die der deutschen Sprache nicht so mächtig seien, noch besser zu erreichen.

Beate Langhorst hat die ersten Wochen Video-Sprechstunde bereits hinter sich. Zwar sei es zu früh, um eine Bilanz zu ziehen. Aber eines habe sie doch beobachtet: „Anders als bei meinen telefonischen Beratungen, die oft nur kurz dauern und relativ oberflächlich verlaufen, habe ich bei den Video-Sprechstunden die gleiche Beratungsintensität und -qualität wie bei Vor-Ort-Gesprächen.” Allerdings müsse sich das neue Angebot erstmal etablieren. Einen Vorteil der Online-Beratungen sieht sie vor allem für Angehörige, die über ganz Deutschland verstreut leben. „Natürlich können sie nicht für so ein Gespräch extra in die alte Heimat kommen“, sagt Beate Langhorst. Für sie ergibt sich noch ein ganz anderer Vorteil. Die Mitarbeiterin des Lohner Krankenhauses ist weit und breit die einzige, die eine unabhängige und kostenfreie Demenzberatung bietet und dementsprechend viel gefragt. „Jetzt kann ich mit mehreren Familienangehörigen gleichzeitig sprechen und nicht nacheinander am Telefon oder bei mir in der Sprechstunde. In mein Büro dürfen nämlich seit Pandemiebeginn nicht mehr als drei Personen zeitgleich.“ Für sie bedeutet die Online-Sprechstunde also eine echte Zeitersparnis.

Im St. Anna-Stift setzt man ebenfalls auf eine deutliche Entlastung des Personals. Hier möchte man in den kommenden Monaten den Austausch mit den Ärzten digitalisieren. Längst werden alle Patientendaten und Pflegeleistungen am PC dokumentiert. Doch haben die behandelnden Ärzte, die regelmäßig auf Hausbesuch in den Heimen sind, keinen Zugriff auf das System. So muss bisher jede Arztvisite von Pflegepersonal begleitet werden, das über die aktuelle Pflege des Patienten informiert. Mit einem Zugriff auf die Pflegedokumentation und die Möglichkeit, dort selbst Eintragungen zu machen, sind die Ärzte autark. Das Pflegepersonal kann sich statt um die Visitenbegleitung um andere Aufgaben kümmern. Und keine Pflegekraft muss anschließend handschriftliche Notizen abtippen.

Wichtig ist den Telav-Machern: Die Lösungen, die nun getestet werden, sind alle auch auf andere Anwendungsszenarien übertragbar. Eine Online-Terminvereinbarung kann beispielsweise Arztpraxen beim Telefondienst entlasten - ebenso eine Chatbot-Funktion, die wichtige Fragen vorab klärt und so den Sprechstundenhilfen Arbeit abnimmt. Pflegepionier und Telav-Projektleiter Dr. Christian Vaske: „Unser Ziel ist es, möglichst Testszenarien zu entwickeln und zu erproben, die sich auf viele andere Bereiche übertragen lassen. Schließlich wollen wir unsere bisherige gute medizinische und pflegerische Versorgung langfristig und flächendeckend im gesamten Landkreis Vechta erhalten. Das Telav-Projekt soll dafür den Weg ebnen.”

 

Digitale Unterstützung nach der Geburt sowie Demenzberatung:

Beide Angebote finden Interessierte über die Internetseite <link http: www.telav.de>www.telav.de. Hier gibt es nicht nur jede Menge gut verständliche und übersichtliche Informationen zum jeweiligen Thema, sondern auch die Möglichkeit, Beratungstermine zu vereinbaren.

 

TELAV:

Der Name TELAV steht für „Televersorgung im Landkreis Vechta“. Das Projekt wird im Rahmen der Initiative Heimat 2.0 umgesetzt und durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sowie durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) gefördert. Initiiert wurde es von den Städten Vechta und Lohne.

Mehr Infos unter www.telav.de.